Berlinde De Bruyckere
City of Refuge II

Berlinde De Bruyckere hat Arcangelo (Freising), 2021-2022 für das wiedereröffnete Diözesanmuseum geschaffen, eine monumentale und zugleich berührende Skulptur eines Engels aus Bronze, ummantelt von patiniertem Blei. Den Menschen bei weitem überragend und doch nahbar, erfüllt der Arcangelo mit seiner Präsenz den Lichthof. Um diesen geheimnisvollen Engel zeigt nun das Diözesanmuseum eine Ausstellung der belgischen Künstlerin in den benachbarten Sälen, die von den reichen historischen Sammlungen des Museums sowie der Geschichte des Hauses inspiriert ist. Die Figur des Arcangelo, entwickelt während des ersten Covid Lockdowns, ist auch angeregt von all die Pflegekräfte, die sich den einsam in Isolation sterbenden widmeten.

Im Münchner Saal bleibt der Blick auf das Motiv des Engels konzentriert. Die zentrale Gestalt, speziell für diese Ausstellung geschaffen, ist Liggende – Arcangelo III, 2023, ein auf einem Sockel aus gebrauchten Bodenbelägen zusammengebrochener Engel. Er ist umgeben von einer Auswahl sehr früher Arbeiten und Skizzen, die hier zum ersten Mal gezeigt werden und das Thema des Engels wie des Flügels in Berlinde De Bruyckeres Oeuvre reflektieren.

Der Freisinger Saal bietet eine Auswahl vielfältiger Werke. Die Skulpturen und Zeichnungen, eng mit den Sammlungen des Museums verbunden, sind zum Teil von religiöser Ikonographie inspiriert, berühren aber zugleich profane und universelle Themen im sozialen und politischen Kontext.

Im Lichthof entfalten De Bruyckeres „Betten“ mit ihren schäbigen Decken, die in fleischfarbenes Wachs gegossene Baumstämme einhüllen, eine besondere Bedeutung: Hier war von 1939 bis Kriegsende ein Lazarett für Kriegsgefangene und danach bis September 1945 ein von der US Armee eingerichtetes Hospital für befreite KZ-Häftlinge.

Berlinde De Bruyckeres City of Refuge (der Titel dankt sich einem Lied von Nick Cave und hat seinen Ursprung in einem Gospel von Blind Willie Johnson), ihre Stadt der Zuflucht, ist eine Hommage an Schutzsuchende und an all die, die Schutz gewähren – ein Plädoyer für Mitgefühl und Nächstenliebe und eine Erkundung der Dualität der menschlichen Natur. Die beiden monumentalen Skulpturen Mantel I und II, angeregt von Gemälden des Hl. Franziskus von Francisco de Zurbarán, entfalten dieses Thema in der Johanneskirche am Domplatz.

Die Ausstellung ist kuratiert von Petra Giloy-Hirtz und dem Studio Berlinde De Bruyckere.

Berlinde De Bruyckere – Die Künstlerin

Berlinde De Bruyckere, geboren 1964 in Gent, Belgien, wo sie heute lebt und arbeitet, ist zutiefst von den Traditionen der flämischen Renaissance beeinflusst. Vertraut mit der Ikonographie christlicher Heilsgeschichte und antiker Mythologie, verbindet sie die überlieferten Bilder und Erzählungen von Leiden, Tod und Auferstehung, Sterben und Erlösung, Hoffnung und Liebe mit Ereignissen und Themen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart. So transformiert sie religiöse und mythologische Inhalte in ein Universales und in ein zeitgenössisches Empfinden und Erfahren. Sie verschmilzt vielfältige Materialien wie Wachs, gebrauchte Decken, Holz, Tierhaare und gegerbte Tierhäute zu hybriden Skulpturen, in denen Mensch, Tier, Pflanze und Göttliches sich verbinden. Wenngleich von konfrontativer Natur, verbindet sich die Poesie ihrer Werke mit einem starken sozialen Engagement und dem Gefühl von Hoffnung und Vitalität.

De Bruyckeres Werke sind in zahlreichen Ausstellungen in bedeutenden Institutionen weltweit gezeigt worden. Im Jahr 2013 repräsentierte De Bruyckere Belgien auf der 55. Biennale Venedig mit dem monumentalen Werk Kreupelhout-Cripplewood, einer Zusammenarbeit mit dem Nobelpreisträger für Literatur J.M. Coetzee.

©Diözesanmuseum Freising, Photos: Thomas Dashuber